Bier-Yoga, Hangover-Yoga & Co – über die absonderlichen Seiten des Yoga-Booms

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16 Aug Bier-Yoga, Hangover-Yoga & Co – über die absonderlichen Seiten des Yoga-Booms

„Yoga boomt“ schrieb die SZ bereits im Jahr 2010. Auch sieben Jahre später scheint ein Ende des Trends nicht absehbar, im Gegenteil: Schätzungen zufolge praktizieren mittlerweile über fünf Millionen Deutsche regelmäßig Yoga – das macht die Sportart zu einer der beliebtesten überhaupt. Man wird also nur noch selten für einen Zoologen gehalten, wenn man sich in der U-Bahn über Hund, Katze, Kuh und Krähe unterhält. Die Yogamatte hat längst ihren Weg in den Aldi-Prospekt gefunden, jedes zweite Fitnessstudio bietet Kurse an und auf der Liste prominenter Yogis fehlt eigentlich nur noch Angela Merkel. Was eigentlich erfreulich ist, hat auch eine weniger schöne Seite.

Denn immer häufiger nimmt der Yoga-Boom auch befremdliche Formen an.

 

Ein Beispiel: Wer am Vortag ein paar über den Durst getrunken hat, dem bietet eine Stunde Hangover-Yoga die vermeintliche Kur für den dumpfen Schädel. Durch eine Reihe von schonenden Haltungen sollen Leber und Niere aktiviert und so der Erholungsprozess beschleunigt werden. In so einem Setting wird dann auch gerne mit Vokabular aus der Erzverhüttung um sich geworfen und es fallen Wörter wie „Entschlackung“. Wen dieses Angebot nicht überzeugt, der fühlt sich eventuell bei einer Stunde Bier-Yoga wohler. Die Bierflaschen werden in die Übungen integriert und nach und nach geleert.

Die Kombination aus Detox Retox soll ultimativ energetisierend wirken. Und wem in diesem Szenario der Eventcharakter immer noch zu kurz kommt, hat schließlich noch die Möglichkeit, bei einem „Mindfulness-Happening“ zusammen mit 500 Gleichgesinnten die Erleuchtung auf der Matte zu suchen, angeheizt von einem Live-DJ und umgeben von Ständen mit dem neuesten Merchandise.

Klar, solche Veranstaltungen sind immer mit einem Augenzwinkern versehen. Nur nicht zu ernst nehmen, Yoga soll schließlich fröhlich, locker, frei sein. Alles kann, nichts muss. Hin und wieder ist es jedoch sinnvoll, sich auf die Ursprünge einer Praxis zu besinnen. Im Gegensatz zu vielen substanzlosen Hypes—nennen wir als Beispiele Kokosfett und glutenfreie Ernährung—existiert Yoga seit mehr als 2000 Jahren. Es bietet eine Möglichkeit, die eigene Gedankenwelt zu erkunden und sich auf diese Weise dem menschlichen Dasein zu nähern. Die Fragen, um die sich die verschiedenen Wege des Yoga drehen, werden im Allgemeinen auch von Religion, Philosophie und Wissenschaft gestellt.

Aber um was geht es eigentlich im Yoga?

 

Fernab aller existenziellen Spiritualität geht es im Yoga aber auch um Konzentration und Bewusstseinsschärfung. Durch die Integration von meditativen Elementen wird der Geist beruhigt. Im besten Fall stellt die Praxis sogar eine Art der Selbstermächtigung dar, indem man lernt, gewohnheitsmäßige Verhaltensweisen zu reflektieren und erst in einem nächsten Schritt zu handeln.

Dieses Versprechen macht die derzeitige Anziehungskraft von Yoga aus. In einem übersteuerten, informationsverdichteten Alltag sehnen sich viele Menschen nach einem Innehalten, nach ein wenig Erholung für die übervolle Wahrnehmung.

Auf der Matte darf man sich für zwei Stunden aus der Leistungsgesellschaft ausklinken.

 

So scheint es jedenfalls. Denn diese Sehnsucht hat ihre eigene, 17 Milliarden Dollar schwere, Industrie geschaffen. Es ist bezeichnend, dass gerade das Handelsblatt über Bier-Yoga berichtet und herrlich unironisch titelt: „Wie zwei Münchnerinnen mit Bier-Yoga neue Kunden gewinnen“

Im gnadenlosen Wettbewerb um Aufmerksamkeit überbieten sich die Marktteilnehmer immer häufiger mit effekthascherischen Angeboten. Der Eventmanageryogi von heute ist damit Teil des Problems, bietet uns aber für 15,- Euro die Stunde die vermeintliche Lösung. In den USA — dem Mutterland des Hypes — treibt diese Entwicklung noch ganz andere Blüten. Dort gibt es mittlerweile auch Dope, Goat und Heavy Metal Yoga. Ein paar Seltsamkeiten dürften uns also auch noch in München bevorstehen.

Die gute Nachricht: das gehäufte Überschreiten der Grenzen zur Lächerlichkeit ist ein verlässlicher Indikator dafür, dass der Höhepunkt eines Trends bald erreicht ist. Mit Yoga geht es aber mit Sicherheit trotzdem weiter. Ganz in Ruhe und ohne Bier.

 

Ein Kommentar von Wolfgang Westermeier.

 

Beitragsbild: Flickr, kellinahandbasketCC BY 2.0

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